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Schlafstörungen & Cannabis






Lesezeit: 8 Minuten

Veröffentlicht am: 15.11.2024

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Über 6.000.000 Deutsche leiden unter Schlafstörungen


Schlafstörungen gehören zu den häufigsten Beschwerden, mit denen Patienten in der ärztlichen Praxis vorstellig werden. Schätzungen zufolge leiden bis zu 30 % der Bevölkerung unter gelegentlichen Schlafproblemen, während etwa 6-9 % an chronischer Insomnie erkrankt sind. Unbehandelt können diese Störungen die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und langfristig zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen führen. Die Identifikation der Ursache sowie eine passgenaue, individuelle Therapie sind entscheidend. Medizinalcannabis gewinnt als potenzielle Behandlungsoption zunehmend an Interesse, insbesondere bei Patienten, die auf konventionelle Methoden nicht ausreichend ansprechen.


INHALTSVERZEICHNIS


Prävalenz von Schlafstörungen

Auswirkungen von Schlafstörung

Formen von Schlafstörungen

Das Endocannabinoid-System

Die Bedeutung des ECS für Schlafregulation

Therapeutische Ansätze

Medizinalcannabis zur Unterstützung des Schlafs

Weiterführende Informationen zum Thema Schlafstörungen

Quellen


Prävalenz von Schlafstörungen


Schlafstörungen sind in Deutschland weit verbreitet und betreffen zunehmend mehr Menschen. Laut einer Analyse der Barmer Krankenkasse stieg die Zahl der Diagnosen zwischen 2012 und 2022 um etwa 36 %. Dies entspricht etwa 7 % der Bevölkerung, was rund sechs Millionen betroffene Personen ausmacht. Besonders betroffen sind ältere Menschen: Ab einem Alter von 60 Jahren klagen bereits 13 % über Schlafstörungen. Die Ursachen sind vielfältig und umfassen beruflichen Stress, hormonelle Veränderungen wie in den Wechseljahren, sowie psychische Belastungen wie Depressionen.


Auswirkungen von Schlafstörungen


Chronischer Schlafmangel wirkt sich erheblich auf die Gesundheit aus. Menschen, die regelmäßig weniger als fünf Stunden pro Nacht schlafen, haben ein erhöhtes Risiko für Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall und Diabetes. Zudem kann Schlafmangel das Immunsystem schwächen und die Entstehung von Infektionskrankheiten begünstigen. Eine enge Verbindung besteht auch zu psychischen Erkrankungen: Schlafstörungen können sowohl ein Symptom als auch ein Risikofaktor für Depressionen und Angststörungen sein.


Formen der Schlafstörungen


Schlafstörungen lassen sich in verschiedene Typen unterteilen, die jeweils unterschiedliche Ursachen und Behandlungsstrategien erfordern:

Insomnie: Die häufigste Form der Schlafstörung, gekennzeichnet durch Schwierigkeiten beim Ein- und Durchschlafen sowie frühes Erwachen. Typische Auslöser sind Stress, psychische Belastungen oder chronische Schmerzen.

Schlafapnoe: Eine Atmungsstörung, die durch wiederholte Atemaussetzer während des Schlafs gekennzeichnet ist. Dies führt zu nicht erholsamem Schlaf und kann das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen erhöhen.

Restless-Legs-Syndrom (RLS): Patienten berichten über ein unangenehmes Kribbeln in den Beinen, das vor allem in Ruhephasen auftritt und zu gestörtem Schlaf führt. Häufig tritt RLS in Verbindung mit Eisenmangel oder neurologischen Erkrankungen auf.

Zirkadiane Rhythmusstörungen: Diese entstehen, wenn der Schlaf-Wach-Rhythmus nicht mit dem natürlichen Tag-Nacht-Zyklus übereinstimmt, etwa durch Schichtarbeit oder Jetlag.

Parasomnien: Hierzu gehören ungewöhnliche Verhaltensweisen wie Schlafwandeln oder Albträume, die den Schlaf erheblich stören können.


Das Endocannabinoid-System


Das Endocannabinoid-System (ECS)

Das Endocannabinoid-System wurde erst Ende der 1980er Jahre entdeckt und ist ein relativ junges Forschungsgebiet. Es rückt zunehmend in den Fokus der Wissenschaft, insbesondere als potenzielles Ziel für neue Therapieansätze (Lowe et al., 2021).

Was ist das ECS?

Das ECS ist ein Teil des Nervensystems und besteht aus Rezeptoren, Endocannabinoiden und Enzymen. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung physiologischer Prozesse wie Homöostase, Appetit, Schmerzempfinden und Schlaf (Aizpurua-Olaizola et al., 2017; Kaul et al., 2021).

Drei Hauptkomponenten des ECS:

  1. Rezeptoren: Die CB1- und CB2-Rezeptoren sind die Hauptrezeptoren des ECS. CB1 ist vorwiegend im zentralen Nervensystem zu finden, CB2 hauptsächlich im Immunsystem (Zou und Kumar, 2018).
  2. Endocannabinoide: Diese körpereigenen Moleküle werden bei Bedarf produziert und wirken auf Cannabinoid-Rezeptoren. Sie beeinflussen auch andere Neurotransmittersysteme wie Glutamat und Serotonin (Carlson et al., 2002).
  3. Enzyme: Die Synthese und der Abbau der Endocannabinoide werden durch spezifische Enzyme wie Fettsäureamidhydrolase und Monoacylglycerollipase gesteuert.

Diese Komponenten arbeiten zusammen, um die Funktion des ECS im Körper zu regulieren und eine Vielzahl physiologischer Prozesse zu beeinflussen.


Die Bedeutung des ECS für die Schlafregulation


Das ECS und Schlaf

Das ECS spielt eine zentrale Rolle bei der Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus und ist an der Steuerung vieler physiologischer Prozesse beteiligt, die den Schlaf beeinflussen. Dies geschieht durch komplexe Interaktionen, die mehrere Aspekte des Schlafs betreffen, darunter die Einschlafzeit, die Schlafqualität, die Wirkung von Licht und emotionale Faktoren wie Stress.

Einschlafzeit: Die Aktivierung der CB1-Rezeptoren im Gehirn kann die Einschlafzeit verkürzen, wie Studien zeigen (Cox et al., 2018).

Schlafqualität und zirkadianer Rhythmus: Endocannabinoide modulieren sowohl die REM- als auch die Tiefschlafphasen und unterstützen die Synchronisation des Schlaf-Wach-Rhythmus (Koch et al., 2020).

Licht und Rhythmus: Das ECS beeinflusst die Empfindlichkeit der Retina gegenüber Licht, was den zirkadianen Rhythmus unterstützt (Hattar et al., 2006).

Stress und Schlaf: Das ECS hilft, stressbedingte Schlafprobleme zu lindern. Eine Dysregulation kann jedoch den Schlaf beeinträchtigen (Hill et al., 2010).

 

Dysregulation des ECS und Schlafstörungen

Eine gestörte ECS-Funktion kann Schlafprobleme verschärfen, besonders bei chronischem Stress, Entzündungen oder psychischen Erkrankungen wie Angst und Depression.


Therapeutische Ansätze


Standardtherapien bei Schlafstörungen:

Verhaltenstherapie: Kognitive Verhaltenstherapie ist eine der effektivsten Methoden zur Behandlung von Insomnie. Sie zielt darauf ab, negative Gedankenmuster zu verändern und gesunde Schlafgewohnheiten zu fördern.

Lebensstiländerungen: Empfehlungen zur Verbesserung der Schlafhygiene, wie regelmäßige Schlafzeiten, Vermeidung von Koffein und Alkohol sowie körperliche Aktivität, sind ebenfalls hilfreich.

Medikamentöse Therapie: Bei leichten Schlafstörungen können pflanzliche Präparate wie Baldrian, Lavendel oder Melisse hilfreich sein, wobei deren Wirkung oft erst nach einigen Wochen regelmäßiger Einnahme spürbar ist. Melatonin als körpereigenes Hormon wird zunehmend auch in Form von Tee, “Gummibärchen” oder Mundspray eingesetzt. Klassische H1-Antihistaminika der ersten Generation, die stärker lipophil sind und das ZNS erreichen, sollten nur kurzfristig verwendet werden, da sie insbesondere bei älteren Patienten oder bei bestehenden Nieren- und Leberfunktionsstörungen problematische Nebenwirkungen haben können.
Bei schweren und langanhaltenden Schlafstörungen werden häufig Psychopharmaka wie Benzodiazepine oder nicht-benzodiazepine Schlafmittel eingesetzt, jedoch bergen diese ein Risiko für Abhängigkeit und Nebenwirkungen.


Medizinalcannabis zur Unterstützung des Schlafs: Potenziale und wissenschaftliche Erkenntnisse für die ärztliche Praxis


Die wachsende Forschung zum ECS und seiner Rolle bei der Schlafregulation hat das Interesse an Cannabinoiden als Behandlungsoption bei Schlafstörungen verstärkt. Insbesondere die Cannabinoide THC und CBD zeigen vielversprechende Ansätze:

THC und Schlaf: Das psychoaktive Cannabinoid THC bindet an CB1-Rezeptoren und fördert die Schläfrigkeit, verkürzt die Einschlafzeit und kann die Gesamtschlafdauer verlängern. THC moduliert die neuronale Aktivität im Gehirn und zeigt dadurch schlaffördernde Eigenschaften.

CBD und Stressbewältigung: CBD ist nicht psychoaktiv und weist anxiolytische Effekte auf, was es insbesondere bei stressbedingten Schlafproblemen interessant macht. CBD interagiert mit weiteren Neurotransmittersystemen und fördert die Entspannung, ohne psychoaktive Effekte hervorzurufen.

 

Studienlage zur Wirksamkeit von Medizinalcannabis bei Schlafstörungen

Mehrere Studien weisen auf die positiven Effekte von Medizinalcannabis auf die Schlafqualität hin:

Verbesserung von Schlafqualität und -dauer: In einer Studie mit dem Cannabisextrakt Entoura 10:15 berichteten 60 % der Insomnie-Patienten von einer signifikanten Verbesserung in Schlafqualität und Lebensqualität (Ried et al., 2023).

Stressbedingte Schlaflosigkeit: Eine Fallserie zeigte, dass CBD die Schlafqualität bei 66,7 % der Patienten verbesserte und Angstsymptome um 80 % reduzierte (Shannon et al., 2019).

Kombinierte THC- und CBD-Therapie: Eine Therapie mit einem Cannabinoid-Extrakt, der THC und CBD kombiniert, führte in einer weiteren Studie zu verbesserter Schlafqualität, verkürzter Einschlafzeit und längeren Schlafphasen (Walsh et al., 2021). Die Kombination beider Cannabinoide könnte somit eine wirksame Option für Patienten mit chronischen Schlafstörungen darstellen.

 

Risiken und Nebenwirkungen

Obwohl Medizinalcannabis bei Schlafstörungen vielversprechende Effekte zeigt, ist auf mögliche Nebenwirkungen zu achten. Häufig treten Schwindel, Müdigkeit und kognitive Beeinträchtigungen auf. Hohe THC-Dosen können psychoaktive Effekte haben und erfordern daher eine vorsichtige Dosierung. Eine engmaschige, ärztlich überwachte Anwendung ist entscheidend, um den therapeutischen Nutzen und potenzielle Nebenwirkungen individuell abzuwägen.


Weiterführende Informationen zum Thema Schlafstörungen



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Mehr Informationen zu der spannenden Studie der Barmer zum Thema Schlaf


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Quellen


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